Warum darf man Psalm 108 „Fluch Davids“ nicht lesen?

12 Min lesen
Warum darf man Psalm 108 „Fluch Davids“ nicht lesen

Es gibt einen Psalm, über den man im Flüsterton spricht. Seine Worte durchbohren wie ein Schwert, und die Verse klingen fast wie ein Urteil. Psalm 108 – oder nach anderer Zählung 109 – gehört zu den umstrittensten Texten des Psalters. Man nennt ihn „Davids Fluch“, „Psalm der Vergeltung“, „Gebet um Rache“. Warum verbietet die Kirche ihn nicht, rät aber auch davon ab, ihn ohne Unterscheidung zu lesen? Was ist seine wahre Bedeutung, und warum suchen die einen darin Gerechtigkeit, während die anderen darin eine geistliche Gefahr sehen?

Lesen Sie auf den Seiten unseres Online-Magazins Monrose noch mehr nützliche und interessante Informationen!

Sinn und Kontext des Psalms 108: zwischen Schmerz und Zorn

Psalm 108 (in der jüdischen Tradition – 109) wird König David zugeschrieben und entstand wahrscheinlich in einer entscheidenden Wende seines Lebens – als er Verrat und Verfolgung erlitt. Der Psalm beginnt mit einem Gebet, einem Aufschrei um Hilfe:
„Gott meines Lobes, schweige nicht …“
Das ist nicht nur ein emotionaler Text – es ist ein Schrei der Seele, wenn Feinde mit Bösem für Gutes vergelten, mit Hass für Liebe. Der alttestamentliche Geist der gerechten Empörung findet hier besonders scharfen Ausdruck.

Warum er als „hart“ gilt

Die Verse 6 bis 20 enthalten eine ganze Reihe von Bitten an Gott um Vernichtung des Feindes:
„Seine Tage seien kurz, und sein Amt empfange ein anderer …“,
„Seine Kinder sollen Waisen werden, und seine Frau – eine Witwe …“
Solche Formulierungen erschrecken den modernen, zumal unkundigen Leser und erscheinen aus Sicht des Neuen Testaments unangebracht.

Gebet oder Fluch?

Die heiligen Väter geben unterschiedliche Auslegungen. Einige sehen darin eine Prophezeiung über den Verräter Judas, der Christus verkauft hat. So zitiert in der „Apostelgeschichte“ der Apostel Petrus gerade diesen Psalm, wenn er von Judas spricht: „Seine Wohnstätte werde öde …“
Andere sehen darin das Gebet eines leidenden Gerechten, der nicht selbst Rache übt, sondern Gottes Gerechtigkeit anruft.

Darf man Psalm 108 in friedlichen Zeiten lesen?

Ja, aber mit Vorsicht und tiefem Verständnis. Es ist ein Psalm des Schmerzes und des gerechten Zorns – keine Schablone für Rache. Man kann ihn lesen, wenn man unter Verrat und Verleumdung leidet, jedoch unbedingt mit Reue und ohne den Wunsch, dem Feind zu schaden.

Text des Davidpsalms Nr. 108

Bevor man den Text von Psalm 108 liest, ist es wichtig, seine Kraft und Tiefe zu begreifen. Es ist einer der dramatischsten und schwierigsten Psalmen Davids – ein Schrei der Seele zu Gott in Momenten von Verrat und Ungerechtigkeit. In seinen Versen liegen nicht nur Schmerz und Zorn, sondern auch die Bitte um Hilfe und Vergeltung. Deshalb ruft dieser Psalm oft Streit hervor: Darf man so beten, und ist es angemessen, Gott um eine gerechte Strafe zu bitten?

Der Aufschrei des Gerechten zu Gott

Gott meines Lobes, schweige nicht!
Es öffnen sich die Münder der Tückischen –
mit Bösem und Lüge auf den Lippen,
sie flechten Worte der Arglist.

Sie hassen mich ohne Grund,
umgeben mich mit bösen Worten;
dafür, dass ich liebte – Feindschaft,
und ich bete für sie statt zu vergelten.

Für Gutes zahlen sie mit Bösem,
für Liebe – mit taubem Hass.

Bitte um gerechte Vergeltung

Bestelle über ihn einen Gottlosen,
möge Satan an seiner Seite stehen.
Vor Gericht soll er schuldig gesprochen werden,
und sein Gebet werde ihm zur Sünde.

Seine Tage sollen kurz sein,
sein Amt nehme ein anderer.
Seine Kinder sollen Waisen werden,
und seine Frau – eine Witwe ohne Trost.

Sie mögen umherirren und um Brot bitten,
die Gläubiger sollen alles wegnehmen.
Keiner erbarme sich seiner,
und niemand habe Mitleid mit seinen Waisen.

Sein Geschlecht erlösche von der Erde,
der Herr vergesse seine Sünden nicht.
Ihr Name werde für immer getilgt –
dafür, dass er keine Barmherzigkeit kannte.

Verurteilung wegen der Härte des Herzens

Er verfolgte die Armen und Bedürftigen,
die Zerknirschten – um sie zu zerschlagen.
Den Fluch liebte er – und wird ihn ernten,
den Segen wollte er nicht – und wird ihn versäumen.

Er ziehe den Fluch an wie ein Gewand,
er dringe in ihn ein wie Wasser und Öl,
er bedecke ihn wie Kleidung und Gürtel,
und bleibe stets bei ihm wie eine drückende Last.

So ist der Lohn vom Herrn –
für die, welche meiner Seele Böses tun.

Demütiges Gebet des Leidenden

Ich aber – Herr, sei mit mir,
um Deines Namens willen, nach Deiner Barmherzigkeit!
Rette mich, denn ich bin arm und elend,
und mein Herz ist müde geworden vor Kummer.

Ich entschwinde wie ein dahinschwindender Schatten,
man treibt mich wie Heuschrecken.
Meine Knie sind schwach geworden vom Fasten,
und mein Fleisch ist ausgedörrt von Mühe.

Ich bin ihnen zum Spott geworden,
sie nicken mit dem Kopf – und höhnen.

Hoffnung auf den Herrn – Schutz des Armen

Hilf mir, Herr, mein Gott,
rette mich nach großer Barmherzigkeit.
Sollen sie erkennen – das ist Deine Hand,
Du hast es getan, Du bist der Wahrhaftige.

Sie fluchen – doch Du segne.
Sie stehen auf – mögen sie beschämt werden,
Dein Knecht aber soll sich freuen.

Mit Schande und Unehre sollen bedeckt werden
alle, die gegen meine Seele aufstehen.

Ich aber will Dich laut mit meinem Mund preisen,
und inmitten des Volkes Dich besingen.
Denn Du stehst zur Rechten des Armen –
um ihn zu retten vor denen, die ihn richten.

David spricht nicht nur für sich selbst – er gibt den Gefühlen derer Ausdruck, die Verrat, Unwahrheit und Härte erfahren. Doch durch die Schärfe und die beunruhigenden Verse klingt der Hauptgedanke: Das letzte Wort hat immer Gott!

Warum man sich scheut, Psalm 108 zu lesen

Formal gibt es keine geistlichen Folgen. In der orthodoxen wie in der katholischen Tradition gehört dieser Psalm zum Kanon. Geistliche Mahner warnen jedoch: Der Text kann gefährlich werden, wenn man ihn mit Verbitterung und Rachgier liest. Er ist wie ein Schwert – er kann schützen, aber auch verletzen.

Die Gefahr des Rachverlangens

Wenn man Psalm 108 mit dem Gedanken liest „Möge Gott meinen Feind bestrafen“, geht das Wesen des Gebets verloren. Es ist dann keine Bitte um Schutz mehr, sondern der Versuch, den heiligen Text als Waffe zu benutzen. Und ein Gebet, das zum Fluch verkehrt wird, kann zum geistlichen Bumerang werden.

Was sagen Mönche und Priester?

Die Altväter des Athos, der heilige Paisios der Athonit, der heilige Theophan der Klausner – alle betonen die Bedeutung der Demut im Gebet. Manche Igumenen raten Laien davon ab, Psalm 108 ohne geistliche Führung zu lesen, besonders im Zustand der Erregung.

Wann und wie man Psalm 108 richtig liest

Diesen Text darf man lesen, wenn man starke Kränkung, ungerechte Verfolgung oder moralische Gewalt erfährt. Aber nicht mit dem Ziel, sich zu rächen, sondern mit der Bitte um Schutz der eigenen Seele, um Bewahrung der Wahrheit und des inneren Friedens.

Wie oft lesen – und mit welchen Absichten

Die Kirche setzt keine konkrete Anzahl fest – wichtig ist nicht die Zahl, sondern der Geist. Am besten einmal, mit aufrichtigem Ruf zu Gott. Vor dem Lesen – beten Sie zum himmlischen Vater, bereuen Sie, bemühen Sie sich, dem Feind im Herzen zu vergeben. Das öffnet das Gebet für die Gnade.

Alternativen: Welche Psalmen kann man zum Schutz lesen

  • Psalm 90 – „Wer unter dem Schutz des Höchsten wohnt …“ – über den Schutz vor dem Bösen und geistlichen Feinden.
  • Psalm 26 – „Der Herr ist mein Licht und mein Heil …“ – über innere Stärke und das Vertrauen auf Gott.
  • Psalm 34 – ebenfalls ein Davidsgebet in Verfolgungen, jedoch ohne Fluchworte.

Gebete ohne Rache – über Vergebung und Heilung

Der Herr lehrte in der Bergpredigt: „Betet für die, die euch beleidigen.“ Wenn Sie noch nicht vergeben können – bitten Sie Gott, Sie die Vergebung zu lehren. Schon das ist ein Schritt zur geistlichen Heilung.

Echte Erfahrungsberichte über Psalm 108 und geistliche Erfahrung

Einige Gläubige behaupten, dass nach dem Gebet mit diesem Psalm ihre Feinde aus dem Leben verschwanden oder Unglück erlitten. Doch das ist keine Freude – es ist eine Tragödie. Solche Folgen hinterlassen oft Schuldgefühle und Unruhe beim Beter selbst.

Darf ein Laie den „Psalm der Rache“ lesen?

Priester raten: Ein Laie sollte Psalm 108 nicht lesen, wenn er im Zustand des Zorns ist – jedenfalls nicht ohne Segen. Gottes Strafe herabzurufen ist nicht unsere Aufgabe. Besser ist es, Gott um sein Eingreifen nach seinem Willen zu bitten, ohne vorzugeben, wie.

Für die Feinde zu beten – keine Schwäche, sondern Stärke

Vergebung ist die Spitze geistlicher Reife. Der heilige Siluan vom Athos sagte: „Der Heilige Geist kommt nicht zu dem, der die Feinde nicht liebt.“ Das Gebet für den Beleidiger zerstört das Böse und heilt die Seele.

Gebet ist kein Fluch

Die Kirche lehrt niemals Rache. Selbst in den schärfsten Psalmen sagte König David nicht: „Ich werde selbst vergelten“, sondern vertraute alles Gott an. Darin liegt das Wesen des Psalms: den Schmerz an Gott abzugeben – nicht aber an seiner Stelle zu entscheiden. Im Gebet zählt nicht die Form, sondern der Geist. Nur ein Gebet in Demut und Liebe führt uns zu Gott!

Psalm 108 ist keine Anleitung zum Verfluchen, sondern eine Offenbarung der leidenden Seele. Er lehrt uns, den Schmerz vor Gott auszusprechen, aber nicht zu rächen. Er zeigt, wie tief eine Wunde sein kann – und wie wichtig es ist, das Herz nicht zu verhärten. Lesen Sie den Psalter mit Unterscheidung, ohne Texte aus dem Zusammenhang zu reißen. Beten Sie nicht um die Bestrafung des Feindes, sondern um die Heilung Ihrer Wunde. Dann wird Gott selbst antworten – weise, gerecht und barmherzig.

Lesen Sie außerdem: Starke Gebete für Wohlstand, zur Anziehung von Geld und zur Rückgabe von Schulden